Bergsträßer sind für Ypsilanti

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SPD-Stimmungstest: Fast zwei Drittel der SPD-Mitglieder wollen Rüsselsheimerin als Koch-Herausforderin

HEPPENHEIM. Das Ergebnis war eindeutiger als der Applaus: Während die Bergsträßer SPD-Mitglieder am Samstag die Reden von Jürgen Walter und Andrea Ypsilanti etwa gleich intensiv beklatschten, kreuzten anschließend fast zwei Drittel (64,3 Prozent) „Andrea“ an. 35,7 Prozent stimmten für „Jürgen“. 45 Stimmen für Ypsilanti, 25 für Walter und zwei Enthaltungen lautete das Endergebnis beim Termin im Café-Bistro „Am Eckweg“ im Zentrum für Soziale Psychiatrie (ZSP).

Das Resultat war nicht überraschend. Führende Bergsträßer Sozialdemokraten hatten sich bereits für Ypsilanti als Herausforderin von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) bei der Landtagswahl 2008 ausgesprochen. Auf der von den Bergsträßer Jusos eingerichteten Unterstützer-Homepage „Wir für Andrea“ haben sich neben Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul die Bundestagsabgeordnete Christine Lambrecht und Katrin Hechler, Fraktionsvorsitzende im Kreistag, eingetragen.

Walter hielt die packendere Wahlkampfrede. Er machte den Genossen Mut, dass es „hervorragende Chancen“ gebe, „die ideologisch getriebene“ CDU-Landesregierung 2008 abzulösen. Koch sei aber ein „harter, skrupelloser Gegner“, sagte Walter. Deshalb müsse die Partei nach der Entscheidung beim Landesparteitag geschlossen „hinter dem Mann oder der Frau“ stehen. „Ich bin jung genug, um den Ministerpräsidenten alt aussehen zu lassen“, warb der 38 Jahre alte Jurist, der seit Februar 2003 die Landtagsfraktion führt. 2008 wäre er mit 40 Jahren ein Jahr jünger als Koch damals, als er 1999 mit 41 das Amt antrat. Auch den übrigen politischen Lebensweg hat Walter ähnlich schnell absolviert: Mit 30 rückte er in den Landtag (Koch: 29), mit 34 wurde er Fraktionsvorsitzender (Koch: 32).

Ypsilanti hielt die nachdenklichere Rede. Die 49 Jahre alte Soziologin stellte sich als „Frau mit Ecken und Kanten“, aber auch Mut, Leidenschaft und Augenmaß vor. Die SPD müsse wieder zu einer großen linken Volkspartei werden, die links keinen Platz lasse. Sie wolle nicht die „Genossin der Bosse“, sein, sondern die Genossin der Verkäuferinnen, der Arbeiter bei Opel und der Beschäftigten der Deutschen Bank, so die gebürtige Rüsselsheimerin.

Oft waren die Positionen beider nicht weit auseinander, etwa beim Flughafenausbau in Frankfurt, den beide unter der Bedingung Nachtflugverbot befürworten. Auch beim Nein zu Studiengebühren und Atomkraft und einer Stärkung der Ganztagsschule bestand Einigkeit.

Ypsilanti setzte Schwerpunkte bei der Bildungspolitik und der Gestaltung einer sozialen Marktwirtschaft. Sie plädierte für die Aufweichung der Schulformen bis zur achten Klasse. Eine Investitionsbank müsse den Mittelstand mehr fördern.

Auf die je zwanzigminütigen Reden folgte eine einstündige Fragerunde, in der sich vor allem Walter kritische Nachfragen anhören musste. Beide nahmen das Ergebnis des Stimmungstestes ohne große Regung auf. Die Entscheidung fällt am 2. Dezember beim Landesparteitag in Rotenburg an der Fulda, für den der Unterbezirk Bergstraße zwölf von 330 Delegierten stellt. Bis dahin sind noch Termine bei 20 Unterbezirken zu absolvieren. Bisher steht es 3:3. Während Ypsilanti in Gießen (70,8), an der Bergstraße (64,3) und im Werra-Meißner-Kreis (53,8 Prozent) gewann, überzeugte Walter im Wetterau-Kreis (64,7), in Wiesbaden (62,4) und Waldeck-Frankenberg (52,9 Prozent).

Marion Menrath
Aus dem Starkenburger Echo vom 9.10.2006