Einsicht in die Akten

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Stadtparlament – SPD-Fraktion will Ausschuss zur Untersuchung der „Finanzaffäre Koch“ einsetzen – Frage nach der Verantwortung – Obermayr weiter krank

HEPPENHEIM. Wenn Heppenheims Stadtverordnete heute, Donnerstag (24.) um 18 Uhr zu ihrer Sitzung im Kurfürstensaal zusammen kommen, wird der wichtigste Vertreter des Magistrats nicht da sein: Bürgermeister Ulrich Obermayr (CDU) ist seit Wochen krank und wird derzeit in einer Klinik behandelt. Wann der Bürgermeister seinen Dienst wieder antreten kann, ist derzeit noch unklar. Vertreten wird er vom Ersten Stadtrat Gerhard Herbert (SPD); der während Obermayrs Abwesenheit dessen Dezernate mitverwaltet.
Fehlen wird Obermayr damit auch, wenn die SPD-Fraktion heute Abend die Einsetzung eines Akteneinsichtsausschusses zur Klärung der sogenannten „Finanzaffäre Koch“ beantragt. SPD-Fraktionschef Norbert Schmitt hatte das Verlangen nach einem solchen Ausschuss damit begründet, dass Klarheit über die Verantwortung in der Affäre geschaffen werden müsse: Unter Obermayr und den Kämmerern Volker Rathje, Anton Röckl und Arnold Reiter (alle CDU) waren Kreditgeschäfte in Millionenhöhe abgewickelt worden, die inzwischen zu einer Gefahr für die städtischen Finanzen geworden sind. Hans-Jürgen Koch, der sich aus der Untersuchungshaft in Namibia heraus gegen die Auslieferung an Deutschland wehrt, hatte in den achtziger und neunziger Jahren in einem komplizierten Schneeballsystem Kredite zwischen Landkreisen, Gemeinden und Städten vermittelt. 350 Kommunen fielen auf den Finanzjongleur, der etliche Millionen auf das eigene Konto umzweigte, herein, und auch Heppenheim gehörte dazu.
Obermayr hatte in den zurück liegenden Wochen gemeinsam mit dem früheren Leiter der Kämmerei, Rudi Kraus, versucht, in mühsamer und Nerven aufreibender Kleinarbeit Licht ins Dunkel zu bringen. Die Hoffnung, dass Heppenheim bei der höchstrichterlich angeordneten „Rückabwicklung“ der Kredite „Plusminusnull“ davon kommen könnte, hat sich bislang nicht erfüllt, und zwischenzeitlich ging sogar das Gerücht herum, man müsse wegen der finanziellen Folgen der Affäre auf den Hessentag im nächsten Jahr verzichten. Vor kurzem erst musste ein weiterer Jurist eingeschaltet werden, um die Interessen der Stadt zu vertreten, und um den einen oder anderen Prozess wird man nach Lage der Dinge nicht herumkommen. Obermayrs Erkrankung ist wohl auch eine Folge des mit der Affäre verbundenen Stresses.
Man darf gespannt sein, ob der von der SPD gewollte Ausschuss mehr leistet als das Duo Obermayr/Kraus und die Juristen. Allerdings werden sich die Stadtverordneten, die heute Abend auch über eine neue Parkgebührenordnung und einen Lenkungsausschuss für den Hessentag entscheiden, auf die Sichtung von Akten beschränken müssen – im Gegensatz zu den aus Bundestag oder Landtag bekannten Untersuchungsausschüssen werden die Parlamentarier beispielsweise auf die Hörung von Zeugen verzichten müssen.

Aus dem Starkenburger Echo vom 24.04.2003