Das europäische Szenario ist heute geprägt von Uneinigkeit und Blockadehaltungen“, analysierte Wolfgang Freudenberger, Kreisvorsitzender der Europa Union Bergstraße, in einem Vortrag auf Einladung der Bürgerstiftung „Hinzu kommt, dass die gemeinsamen normativen Grundlagen des europäischen Einigungsprozesses aufgebraucht zu sein scheinen. Das betrifft insbesondere die liberalen und rechtsstaatlichen Prinzipien, auf denen die EU bisher wie selbstverständlich fußte und die von nationalistischen Politikern unverblümt in Frage gestellt werden. Die Gefahr für Europa kommt heute nicht nur von außen, sondern auch aus der Mitte unserer Gesellschaft.“
Klare Worte vor den Wahlen zum Europäischen Parlament am 26. Mai. Flüchtlingszustrom, Terrorakte, das Tauziehen um den Brexit bleiben vor dem Hintergrund tiefgreifender, ebenso verunsichernder gesellschaftlicher Umbrüche nicht ohne Folge für die Bürger in den 28 EU-Ländern. „Gehen Sie zur Wahl und stärken Sie die proeuropäischen Parteien der politischen Mitte“, hatte Freudenberger am Ende seines Vortrags appelliert. Immerhin stellt Deutschland als bevölkerungsreichster Mitgliedsstaat mit 96 Sitzen die stärkste nationale Abordnung unter den zurzeit 751 Mandatsträgern, allerdings ist für den Urnengang am 26. Mai, der noch – wahrscheinlich ein letztes Mal – ohne Sperrklausel verlaufen wird, eine schon verwirrende Anzahl von 41 Parteien oder Vereinigungen zugelassen.
Dass zudem 2014 nicht einmal jeder zweite Wähler in der Bundesrepublik sein Recht auf Mitbestimmung wahrgenommen hatte, sei „eine mehr als bedenkliche Entwicklung angesichts des Erstarkens rechtsextremistischer Parteien in vielen EU-Ländern.“ Dies hatte für Gerhard Herbert, den Vorsitzenden des SPD-Ortsvereins, mit den Ausschlag gegeben, beim aktuellen Wahlkampfauftakt ein deutliches Zeichen pro Demokratie setzen zu wollen: an einem gemeinsamen Infostand mit den Stadtverbänden der CDU und FDP sowie der Grünen Liste in der Fußgängerzone. Eine Initiative, die bei den Mitbewerbern in Heppenheim gleich auf Zuspruch gestoßen war, auch Kälte und Regen am Samstag hatte niemanden abgeschreckt.
Fraktion, Vorstand und Mitglieder aller vier Parteien hatten sich, warm eingepackt und mit Regenschirmen bewehrt, eingestellt. Gut gelaunt und zuversichtlich, dem winterlichen Intermezzo zum Trotz, war eine Terminabsage kein Thema gewesen: „Es ist uns eine Herzensangelegenheit, und die Idee war es wert“, hieß es.
Wahlprogramme und Flyer hatten alle vier Partner zu Hause gelassen und dafür das Europabanner gehisst, das bei besserem Wetter sicher viele Passanten neugierig gemacht hätte. So jedoch war die Bachgass‘ wenig bevölkert, kaum Gespräche möglich: „Wir als demokratische Parteien Heppenheims wollten mit unserer Aktion auf den großen Einfluss der EU auf die nationale Politik und die Wichtigkeit der anstehenden Wahl aufmerksam machen und daher bei den Bürgern dafür werben, von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen“, resümierte Herbert.
Das gilt weiterhin: Ab nächstem Samstag werden Mandatsträger und Mitglieder wieder in der Fußgängerzone zu finden sein – dann wieder jede Partei am eigenen Stand, aber vereint im Einsatz für ein zukunftsfähiges Europa.
Aus dem Starkenburger Echo vom 06.05.2019