Hart aber fair: Pro und Kontra Windkraftanlagen in Heppenheim

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Laut Anton Gölz haben sich über 850 besorgte Bürger in einer Unterschriftenaktion gegen die Windkraftanlagen (WKAs) am Salzkopf und Kesselberg ausgesprochen.

 

Da auch Anton Gölz sich nicht grundsätzlich gegen die Nutzung der Windenergie ausspricht, wird es Zeit, dass man aufhört aneinander vorbeizureden. Es wird Zeit damit aufzuhören die Bürger noch mehr zu verunsichern, sondern es sollte hart aber fair auf jedes einzelne Argument der Gegner der Windkraftanlagen am Salzkopf und Kesselberg eingegangen werden. Das ist die Erwartung der SPD Heppenheim an die Bürgerversammlung am 4.3.2010 und hat hierfür eine erste Stellungnahme erarbeitet.

 

Liest man die Flugblätter der Gegner, dann erscheinen die Windräder an diesen Standorten als absolut verantwortungslos und sind das Gegenteil dessen, wofür sich die Befürworter erneuerbare Energien und Umweltschützer einsetzen.
Bei so zentralen Fragen wie der Energieversorgung ist es besonders wichtig und notwendig, dass alle Fragen und Befürchtungen vorbehaltlos auf den Tisch kommen. Wir sollten respektvoll mit den Meinungen anderer umgehen, auch dann, wenn wir selbst ganz anderer Meinung sind. Nur so besteht die Chance, dass am Ende sachliche Argumente darüber entscheiden, ob in Heppenheim Windkraftanlagen gebaut werden sollen oder nicht.   Gehen Sie den Fragen und Behauptungen auf den Grund. Kommen Sie zur Bürgerversammlung damit in einer harten aber fairen Diskussion die Behauptungen entweder ausgeräumt oder bestätigt werden können und Sie sich ihre Meinung aus eigenem Verstehen heraus bilden können.

 

 
Behauptungen und Fragen auf dem Flugblatt, mit dem die 850 Unterschriften gesammelt wurden:
 
Gegenargumente und Anmerkungen
1. Gigantische Windspargel verschandeln unsere Kulturlandschaft
Unser Horizont wird vergittert. Anlagen, die 150 m Höhe und mehr erreichen und damit 3x so hoch sind wie „St. Peter“ in Heppenheim. Die Masse übersteigt noch die Vorstellungskraft vieler Bürger. Die Anlagen sind bis Worms (30 km weit) zu sehen. In Heppenheim grüßt Sie zuerst das Windrad bevor Sie McDonald’s sehen.
  Unsere Kulturlandschaften sind ein wertvolles Gut, deshalb sollten Veränderungen nur mit Bedacht erfolgen:
Erneuerbare Energien werden im Gegensatz zur konventionellen Energie in hohem Maße dezentral erzeugt. Wer diese umweltfreundliche Art der Energiegewinnung und regionale Wertschöpfung möchte, der muss auch die hierfür notwendigen Anlagen akzeptieren und relativ viele geeignete Standorte ausweisen.
Die Alternative ist beispielsweise das Braunkohlerevier Garzweiler. Hier wurde eine Fläche von 66 qkm bis zu 160 m tief ausgebaggert. Das ist mehr als die gesamte Gemarkung Heppenheim. Insgesamt verschwanden auf diese Weise in Deutschland mehr als 230 Ortschaften. (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_abgebaggerter_Ortschaften)
2. Zerstörung unserer Wälder?
Auf dem Höhenweg kommt es zum Kahlschlag durch die Bau-/Betriebsplätze, durch Verbreiterung der Waldwege – hunderte Bäume werden gefällt. Der kapitalistische Missbrauch am Wald schreitet voran: Waldschändung, Waldvernichtung, Waldzerstörung. Unser Wald als Ökosystem, Lebensraum für Mensch und Tier, bald futsch?
  Die Befürchtung, dass für die Windräder hunderte von Bäumen gefällt werden müssten ist richtig, aber nur die halbe Wahrheit. Die ganze Wahrheit ist, dass in unseren Wirtschaftswäldern jeder Baum früher oder später gefällt wird. Aufgrund der nachhaltigen Bewirtschaftung wird allerdings jährlich nur so viel Holz geerntet, wie nachwächst. Für unser Forstamt sind dies ca. 90.000 Festmeter im Jahr. Jeder Baum, der aufgrund der Windräder gefällt werden müsste, wäre Teil dieses Kontingents, das sowieso gefällt werden würde. 
3. Windräder sind eine Gefahr für Leib und Leben:
Flügelteile und Eisbrocken flogen schon über 400 m weit. Sie trafen Menschen und durchschlugen Autos und Gebäude.
  Es gibt in der Tat einige spektakuläre Unfälle mit Windkraftanlagen: Ein Tornado riss eine WKA aus der Verankerung. Blitzschlag führte zum Abriss der Rotorblätter oder Absturz der Gondel.
Aber – Selbst die Unfalldatenbank der Windkraftgegner weist bisher nur einen einzigen Unfall mit Personenschaden aus: Ein Eisbrocken streifte eine Frau an der Schulter.
Heutzutage schalten WKAs bei Vereisung ab.
Insgesamt und im Vergleich zur konventionellen Energieerzeugung sind WKAs sehr sicher.
4. Wirklich Schlagschatten statt Sonnenschein?
Ein permanenter Wechsel von Licht und Schatten verursachen gesundheitliche Schäden.
  Windkraftanlagen werden nur genehmigt, wenn die tatsächliche Beschattung pro Tag nicht mehr als 30 Minuten und insgesamt im Jahr nicht mehr als 8 Stunden beträgt. Im diskutierten Fall wären nur wenige Häuser an manchen Ortsrandlagen betroffen.
Dieser Schatten ist irritierend, wenn man zu dieser Zeit am Fenster oder auf dem Balkon sitzt, aber genauso wenig gesundheitsschädlich, wie wenn der gleiche Effekt durch einen Baum im Wind oder Autofahrt hervorgerufen wird.
Manche Anlagen können von den Betroffenen durch einen Telefonanruf abgeschaltet werden.
5. Tourismus ade
Unter 2000 Gästen würde jeder 3. Urlaubsgast bei Vorhandensein einer Windkraftanlage den Urlaub in einer anderen Region verbringen.
Mit dem Argument Arbeitsplätze zu schaffen, vernichtet man still und leise andere Existenzen in der Gastronomie, weil Gäste ausbleiben.
  Diese Aussage stammt aus einer Umfrage des Ostbayerischen Tourismusverbandes aus dem Jahre 1999 und hat sich nicht bewahrheitet.
Die installierte Leistung an Windenergie stieg in Bayern von 1999 bis 2008 um über 800%.
Laut offizieller Übernachtungsstatistik dieses Verbandes stieg die Anzahl der Übernachtungen in Bayern von 71 Mill. im Jahre 1999 auf 78 Mill. im Jahre 2008.
6. Rotorbrummen statt Vogelgesang und Vogelzug
Eine halbe Million Vögel und zusätzlich Fledermäuse werden in Deutschland jährlich von Windkraftanlagen erschlagen.
  Diese Behauptung stammt vom Bundesverband Landschaftsschutz e.V. und wird nicht durch eine Studie belegt. Dieser Verband ist laut BUND eine industrienahe Tarnorganisation, die grundsätzlich gegen Windkraftanlagen ist.
Es ist aber unstreitig, dass Vögel und Fledermäuse durch Windkraftanlagen umkommen. Man rechnet mit durchschnittlich 0,5-1 Vogel pro WKA und Jahr. Laut NABU verunglücken jedoch viel mehr Vögel im Straßenverkehr, an Fensterscheiben und elektrischen Freilandleitungen als an WKAs. Wichtig ist trotzdem, dass der potenzielle Konflikt ernst genommen und vorhandene Daten und Sachverstand in die Planung einbezogen werden.
7. Störung des Kleinklimas?
Das Kleinklima ist für die Pflanzen und ihr Wachstum außerordentlich wichtig. Wie werden Salamander, Kammmolche, Vogel- und Pflanzenwelt beeinträchtigt? Was sagen die Naturschutzverbände?
  Naturschutzverbände, wie BUND und NABU, sprechen sich eindeutig für erneuerbare Energien aus. Sie betonen aber auch, dass die Belange des Naturschutzes beachtet werden müssen und es dann bei einer entsprechenden Prüfung zu einer Ablehnung des Standortes kommen kann.
Der NABU selbst gibt einen Leitfaden für erneuerbare Energien heraus: Konflikte zu lösen und vermeiden.
8. Dauerhafte Gesundheitsschäden für Mensch und Tier
Der rhythmische, heulende und kreischende hörbare und tieffrequente Schall und der nicht hörbare weitreichende Infraschall machen Menschen über Kilometer hinweg psychisch und physisch krank. Hinzu kommt die bedrängende Allgegenwärtigkeit und Unentrinnbarkeit der Anwohner.
  Diese Behauptung stammt ebenfalls vom Bundesverband Landschaftsschutz und ist durch nichts belegt.
Rhythmisch heulende und kreischende Windkraftanlagen werden nicht genehmigt, weil sie nicht dem Stand der Technik entsprechen.
Infraschall ist allgegenwärtig und hat eine Vielzahl natürlicher und künstlicher Ursachen. Infraschall bei WKAs entsteht beim Vorbeiziehen der Rotorblätter am Turm und liegt deutlich unterhalb der Wahrnehmungsschwelle für den Menschen. Wäre dieser Schall gesundheitsgefährlich, dann müsste der sehr viel intensivere Infraschall verursacht durch Sturmtiefs, Meeresbrandung oder auch beim Autofahren erst recht krank machen.
9. Ruinöser Werteverfall der Immobilien!
  Diese Behauptung wird nicht belegt.
10. Windräder ersparen keine konventionellen Kraftwerke
Auch bei Errichtung von tausenden von Windrädern in ganz Deutschland muss zusätzlich konventionelle Energie/Atomenergie für die „windstille Zeit“ durch Kraftwerke vorgehalten werden.
  Für die Entwicklung und Realisierung des Konzepts „regeneratives Kombikraftwerk“ wurde der Leiter des IWES, Dr. Kurt Rohrig, mit dem Deutschen Klimaschutzpreis 2009 geehrt. Er hat nachgewiesen, dass jederzeit und an jedem Ort Deutschlands eine bedarfsgerechte Vollversorgung mit Strom durch eine intelligente Kombination erneuerbarer Energieträger mit heute schon verfügbarer Technik möglich ist. Zusätzliche konventionelle Energie ist also nicht erforderlich.
11. Strompreise erhöhen sich durch die Windkraftanlagen bis zum 4-fachen
Die Stromnetze erfahren durch die Windenergie eine wachsende Belastung und müssen durch zusätzliche Hochspannungsleitungen ergänzt werden. (Der Spiegel vom 29.3.2004)
  Der Spiegelartikel ist unter hier abrufbar. In diesem Artikel wird nirgends behauptet, dass sich der Strompreis durch Windkraftanlagen bis zum 4-fachen erhöht.
Selbstverständlich muss das Stromnetz bei erneuerbaren Energien auf eine entsprechende dezentrale Struktur angepasst werden. Dabei sinken aber die Transportwege, weil z.B. die Heppenheimer ihren eigenen Strom verbrauchen würden.

25.02.2010 Arne Pfeilsticker, Ortsvereinsvorsitzender