Millionenklage gegen Gießen

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Finanzaffäre Koch: Bank will Geld zurück – Riesenprobleme auch für Heppenheim

HEPPENHEIM. Nach einer bundesweiten Betrugsaffäre um einen dubiosen Finanzmakler hat die Frankfurter Sparkasse eine Millionenklage gegen die Stadt Gießen eingereicht. In der Zivilklage fordere die Bank gut 1,7 Millionen Euro von der Kommune zurück, sagte ein Sprecher des Gießener Landgerichts am Freitag. Er bestätigte damit einen Bericht der „Gießener Allgemeinen“. Die Sparkasse sehe sich durch ein Dreiecksgeschäft geschädigt, das der bayerische Finanzmakler Hans-Jürgen Koch eingefädelt hatte. Die Klage wird nach Einschätzung des Sprechers nicht vor dem Frühjahr verhandelt.

Koch hatte Mitte der 90er Jahre in einem komplizierten Schneeballsystem günstige Kredite zwischen rund 350 Landkreisen, Gemeinden und Städten vermittelt. Nachdem die Geschäfte anfangs ordnungsgemäß abliefen, soll er später hohe Beträge auf sein eigenes Konto dirigiert haben. Der Schaden wird mit mehr als 40 Millionen Euro beziffert. Auch Heppenheim ist von der Affäre betroffen: Soweit in den vergangenen Wochen zu hören war, muss sich die Kreisstadt mit Forderungen anderer Städte in Millionenhöhe auseinandersetzen. Mehr als zehn Jahre lang wurden Geschäfte mit dem „Finanzjongleur“ getätigt. Ein Untersuchungsausschuss, der sich seit langem mit der Affäre befasst und am Dienstag wieder zusammentritt, ist, was die Verantwortung angeht, bislang zu keinem Ergebnis gekommen.

In einem Grundsatzurteil hatte der Bundesgerichtshof 2002 entschieden, dass die Kredite zwischen den betroffenen Kommunen direkt und inklusive Nutzungszinsen zurückgezahlt werden müssen. Die Stadt Gießen hat bereits rund 700 000 Euro an die Kommune Bretten in Baden-Württemberg sowie mehr als zwei Millionen Euro an das Klinikum Osnabrück zurückerstattet, wie Kämmerer Volker Kölb am Freitag berichtete. Zu der Klage der Frankfurter Sparkasse wollte sich Kölb nicht äußern. Die Stadtverordnetenversammlung solle darüber Mitte Februar beraten. „Sonst wüssten unsere Kontrahenten, wie wir die Lage einschätzen.“ Insgesamt hatte der frühere Gießener Magistrat von elf Kommunen Kredite in Millionenhöhe erhalten. Die mittelhessische Universitätsstadt war außerdem als Kreditgeberin aufgetreten.

Eine Versicherung, bei der sich die Stadt gegen Vermögensschäden durch Fehlentscheidungen ihrer Mitarbeiter absichert, lehnt der „Gießener Allgemeinen“ zufolge Zahlungen für die Koch-Kredite ab. Der Magistrat erwäge daher, die Gesellschaft zu verklagen. 
Die Kreditabwicklung über den Finanzmakler stelle laut Versicherung eine „vorsätzliche Pflichtverletzung“ dar. 
Das Handeln der damaligen Mitarbeiter könne als Untreue gegenüber der Stadt eingestuft werden. Ein Regress mache allerdings keinen Sinn, weil die Vorgänge zu lange zurückliegen.                   e/jr

Aus dem Starkenburger Echo vom 29.01.05