Die SPD-Fraktion hat in der Stadtverordnetenversammlung am 6.12.2012 dem Schutzschirmvertrag zugestimmt – mit großem Bauchgrimmen, wie die Fraktionsvorsitzende Gabriele Kurz-Ensinger deutlich machte.
Ausschlaggebend war letztlich die Überlegung, dass in der jetzigen Situation der städtischen Finanzen 17.5 Millionen Euro nicht einfach so ausgeschlagen werden können. Auch jetzt ist schon der Spielraum für die Selbstverwaltung der Gemeinde nahezu bei Null angelangt. Denn der hohe Schuldenstand erlaubt fast keine zusätzlichen Ausgaben. Und wenn – hoffentlich bald – eine Strukturreform der Gemeindefinanzen kommt, werden alle Städte und Gemeinden davon profitieren. die Schutzschirmkommunen werden davon nicht ausgenommen werden.
Hier die Ausführungen der Fraktionsvorsitzenden:
Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
sehr geehrte Damen und Herren,
Jetzt sollen wir über den Schutzschirm des Landes für Heppenheim entscheiden. Grund dass Heppenheim als Schutzschirmkommune da steht ist ein hoher Schuldenstand.
Wie ist es hierzu gekommen?
Da sind zum einen Belastungen aus der Vergangenheit:
Die Kochaffäre hat uns 5 Millionen Euro gekostet, ohne dass wir etwas dafür bekommen hätten.
Der Hessentag hat uns 1.8 Mio. € gekostet, dafür haben wir zumindest einige nachhaltige Investitionen erhalten.
Auch im Konjunkturpaket II haben wir erhebliche Investitionen geschultert.
Wie mir ein altgedienter Parlamentarier außerdem gesagt hat, rührt eine Schieflage in den Gemeindefinanzen aus noch aus ganz alter Zeit als die CDU-geführte Rathausspitze „nix von denne Roude in Wissbaden nemme wollt“.
Jetzt mussten wir für die verschiedenen Förderprogramme Unsummen für Gutachten und Architektenleistungen ausgeben, weil das Land dies als Voraussetzung machte, um konkrete Projekte angehen zu können. Angekommen als Investition ist bisher so gut wie nichts.
All dies erklärt den hohen Schuldenstand aber nur zum Teil. Schaut man sich unseren HH an, sieht man, dass alleine rd. 3.3 Mio. € per Saldo auf die Kinderbetreuung entfällt. Aufwendungen mit denen wir eine gesetzliche Verpflichtung erfüllen – gerne erfüllen – die uns durch den Bund auferlegt wurde, für die aber weder Bund noch Land die gesamten Kosten übernehmen.
Wir müssen rd. 14 Mio. an Umlagen u.a. an den Kreis bezahlen.
Das Land Hessen selbst gibt seinen Kommunen jährlich nur rd. 600 €/Einwohner, in anderen Ländern sind es 800 €. Und in dieser Situation wird dann durch das Land den Kommunen zusätzlich noch ein Betrag von jährlich rd. 340 Mio. gestrichen, für Heppenheim sind dies jährlich rd. 1.5 Mio. €, auf 30 Jahre hochgerechnet also 45 Mio. €.
Und dann kommt das Land und bietet uns großzügig 17.559.983 € an, selbst wenn ich noch die in Aussicht gestellten Zinshilfen von derzeit rd. 5 Mio. hinzurechne, werden uns noch nicht einmal 50% von dem geklauten Geld zurückgegeben.
Bei diesem Sachstand fährt dann unser Bürgermeister mit einem Paket nach Wiesbaden, das eine Rückführung auf einen ausgeglichenen Haushalt bis zum Jahre 2017 vorsieht. Zum Rückführungspfad von 100 €/Einwohner meinte er bei der ersten Beratung, dass das wohl nicht so ernst gemeint sein könne.
Zurück kommt er mit einer Forderung nach einem ausgeglichenen Haushalt innerhalb von 2 Jahren. Vergleicht man die Präsentation des Ministeriums und den anschließenden Vorschlag des Bürgermeisters, so hat er die Forderungen aus Wiesbaden 1:1 umgesetzt. Davon, dass hier jemand mit Herzblut für seine Stadt gekämpft und einen längeren Abbaupfad erreicht hätte, auch nicht der Hauch einer Andeutung. Hier hat ein Verwaltungsangestellter mit dem anderen die Sachlage erörtert und als gegeben hingenommen. Obwohl der Abbaupfad ausdrücklich als „unverbindliche Empfehlung“ angegeben wurde, geht unser BGM davon aus, dass es sich hierbei um in Stein gemeißeltes Gesetz handle. Ähnlich wie beim Vertrag mit dem Kreis oder bei den Ausgaben für den 2. AB-Anschluss bleiben die Interessen von Heppenheim, auf der Strecke. Im Wahlkampf hatte das anders geklungen. Wir fürchten mittlerweile, er kann es einfach nicht anders.
Wären wir dann den Vorstellungen der Koalition in der HFW-Sitzung vom 24.10.2012 gefolgt, wäre schnell schnell ein Papier durchgewunken worden, das uns einseitig eine Erhöhung der Grundsteuer auf 460 Punkte beschert hätte. Erst nachdem wir deutlich gemacht hatten, dass diese einseitige Belastung zu erheblichen Auseinandersetzungen führen würde, wurde plötzlich die alleinige Erhöhung zurück genommen und stattdessen eine Erhöhung der Gewerbesteuer eingestellt. Jetzt findet plötzlich sogar ein Herr Greif eine solche Erhöhung angemessen. Immerhin man soll sich ja auch über eine späte Erkenntnis freuen.
Das Erreichen eines ausgeglichenen Haushaltes innerhalb von 2 Jahren und in den Folgejahren wird über die angenommenen Mehreinnahmen aus Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Grundsteuer sowie der Einsparung beim Personal rechnerisch erreicht.
Annahmen, die wir als – freundlich gesprochen – sehr ambitioniert ansehen. Und dies macht uns große Bauchschmerzen. Berücksichtigt man die Konjunkturdaten, ist die Voraussetzung, dass die Einnahmen aus Steuern in den nächsten 5 Jahren stetig steigen, mehr als gewagt.
Ein Teil der möglichen Mindereinnahmen fällt evt. unter den Auslegungshinweis, dass externe Störungen u.U. den Schutzschirmkommunen nicht angelastet werden. Aber auch dort heißt es, dass nur bei Ereignissen, die unerwartet und kurzfristig eintreten keine Maßnahmen gem. § 4 SchutzschirmG nach sich ziehen werden.
Bei Ausbleiben der erwarteten Steigerungen durch neue Einwohner und Gewerbeansiedlung greift dieser Passus sicher nicht.
Unsere Bitte, nochmals nach Wiesbaden zu gehen und dort nach zu verhandeln, haben Sie, Herr Burelbach, abgetan als Hinweis von Ahnungslosen. Andere Bürgermeister wie z.B. Ihr Kollege Kaltwasser aus Lautertal und sogar unser Landrat teilen da Ihren Pessimismus nicht. Wir meinen nach wie vor, es wäre einen Versuch wert gewesen z.B. unter Hinweis darauf, dass die neuen Baugebiete noch gar nicht zu Neuansiedlungen geführt haben und dass von Betrieben, die neu bauen zunächst einmal keine hohen Gewerbesteuerzahlungen zu erwarten sind, nochmals vorstellig zu werden. Wiesbaden möchte doch so viele Kommunen wie nur möglich unter den Schutzschirm bringen. Es steht doch der Landtagswahlkampf an.
Wenn wir dann also gezwungen werden „nach zu justieren“, weil sich Ihre Steuerprognosen nicht bewahrheiten, so ist dies darauf zurück zu führen, dass Sie im Vorfeld nicht genügend Zeit für Heppenheim ausgehandelt haben. Sie dürfen sicher sein, dass wir jede Maßnahme die aus diesem Grund zusätzlich notwendig wird, genauestens überprüfen werden.
Und jetzt stehen wir also da, vor uns die 17 Mio. und über uns das Damoklesschwert drastischer Kürzungen oder Gebühren- und Steuererhöhungen in Bereichen, die uns allen nicht gefallen, die letztlich die Wirtschaftskraft dieser Stadt beeinträchtigen würden.
Also lehnen wir die 17 Mio. dankend ab? Und was dann? Dann ist leider dieses Damoklesschwert immer noch da.
Auf Dauer wird seitens der Kommunalaufsicht die bisher geübte Großzügigkeit nicht mehr an den Tag gelegt werden. Spätestens nach der nächsten Landratswahl dürfte es damit vorbei sein. OK, wir werden alle dafür kämpfen wollen, dass das strukturelle Ungleichgewicht zu Lasten der Kommunen beseitigt wird. Auch der BGM hat hierzu genickt. Das bedeutet aber letztlich, dass alle Kommunen zusätzliche Leistungen bekommen werden oder aber Entlastungen bei den Umlagen. Zusätzliches Geld wegen eines hohen Schuldenstandes werden wir nicht, nicht mehr bekommen.
Also nehmen wir, was uns geboten wird und hoffen darauf, dass jede Woche genügend Kerzen angezündet werden, damit das hochgesteckte Ziel erreicht wird.
Wir werden dem Antrag unter Bauchgrimmen zustimmen.
Pressemitteilung der SPD Stadtverordnetenfraktion vom 10.12.2012