Stadtverordnetenversammlung stimmt für Abschaltung aller Kernkraftwerke

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Stadtverordnetenversammlung: Heppenheimer setzen gemeinsam Zeichen gegen Atomkraft und stimmen für die Abschaltung aller Kernkraftwerke

Angesichts der drohenden Atomkatastrophe in Japan, der Atomdebatte im eigenen Land und der Nähe zum ältesten Atommeiler in Biblis herrschte am Donnerstag im Heppenheimer Stadtparlament ungewohnte Einigkeit:

Ohne Gegenstimme und mit nur vier Enthaltungen wurde für die sogenannte „Heppenheimer Erklärung“ gestimmt und so ein Zeichen gesetzt.
In dem Initiativantrag der SPD heißt es: „Die Stadtverordnetenversammlung Heppenheim appelliert an die Verantwortlichen in Land und Bund, alle notwendigen Schritte einzuleiten, um alle Atomkraftwerke so schnell wie möglich abzuschalten. Auf eine geordnete Entsorgung bei Kostenübername durch die Betreiber ist dabei besonderer Wert zu legen.“ Der Magistrat wird aufgefordert, diese Erklärung an alle kreisangehörigen Städte und Gemeinden sowie an den Kreis Bergstraße mit der Bitte weiterzuleiten, sich ihr anzuschließen. Auch die Bergsträßer Landtags- und Bundestagsabgeordneten sollen hierzu aufgefordert werden.

Die Ereignisse in Japan, so die Begründung der Heppenheimer Sozialdemokraten, hätten erneut die Risiken der Kernenergie vor Augen geführt. Selbst ein technisch und wissenschaftlich erfahrenes und erfolgreiches Land wie Japan sei nicht in der Lage, alle mit der Nutzung von Kernenergie verbundenen Gefahren unter allen Umständen sicher zu beherrschen. Die bisherige Risikobewertung von Atomanlagen beruhe auf der Annahme eines einzigen Fehlers. Nicht angenommen worden sei die Möglichkeit vom Auftreten zweier Fehler – wie Erdbeben und Tsunami in Japan. Damit seien alle Risikobewertungen hinfällig.
Fraktionsvorsitzender Hans-Peter Falter signalisierte die Zustimmung der Christdemokraten. Dies sei ein Thema, das sich nicht für einen Parteienstreit eignen. Man sei in Gedanken bei den betroffenen Menschen in Japan und danke all denen, die vor Ort helfen. „Wir alle müssen umdenken. Die CDU eventuell im Besonderen“, so Falters Schlussfolgerung.
Benjamin Kramer (FDP) bezeichnete den Antrag als „etwas schwierig“ und unnötig, da er keinen unmittelbaren Bezug zu Heppenheimer Themen habe. Stefan Kunz (FWHPINI) zeigte sich persönlich betroffen: Er habe viele Kollegen, die in Tokio wohnten. Emotionale Entscheidungen müssten nicht immer schlecht sein: „Wir alle wissen jetzt, was Restrisiko bedeutet.“

Jean-Bernd Neumann (SPD) wies darauf hin, dass das Abschalten der deutschen Atomkraftwerke auch Folgen für jeden einzelnen haben könne, sowohl für den Geldbeutel als auch für den Komfort. Darüber hinaus müssten – für die Etablierung alternativer Energien – eventuell Einschnitte im Landschaftsbild hingenommen werden.
Rosemarie Sutholt (GLH) sieht durchaus einen Lokalbezug. Schließlich wohne man in Heppenheim in unmittelbarer Nähe zum ältesten Atommeiler in Deutschland. Aber man dürfe sich nicht damit zufrieden geben, dass Biblis vom Netz genommen werde. Willi Guthier (CDU) signalisierte ebenfalls seine Zustimmung zu der Heppenheimer Erklärung. Er hat Kollegen, die in Sendai ihre Häuser verloren haben. Sie befänden sich zwar mittlerweile wieder in Deutschland, ihre japanischen Kollegen aber würden in Turnhallen frieren. Man dürfe bei allen Diskussionen aber nicht vergessen, dass es „in den Ländern um uns herum auch Kernkraftwerke gibt.“
Auch Joachim Ballweg (SPD) ist persönlich betroffen, versuchte bisher vergeblich Freunde im Katastrophengebiet zu erreichen. Das führe einem vor Auge, wie es sei, „wenn Dinge, die beherrschbar erscheinen ihre Beherrschbarkeit verlieren.“
Am Ende der Aussprache wurde der Initiativantrag der SPD ohne Gegenstimmen und mit nur vier Enthaltungen angenommen.

Aus dem Starkenburger Echo vom 18.03.2011