Vortrag von Edgar Reiners im Rahmen einer Unterbezirks Vorstandssitzung:
Liebe Genossinnen und Genossen,
zum Hintergrund meines Interesses und meiner Meldung zu diesem Thema:
Im Sinne hatte ich die verbesserte Zusammenarbeit der Parteigremien in einem durch-aus beschränkteren Raum, nämlich dem „Mittelzentrum Bergstraße“, welches in erster Linie die Städte Bensheim, Heppenheim und Lorsch umfasst, darüber hinaus aber selbstverständlich Lautertal, Zwingenberg und Einhausen mit einbezieht.
Ich weiß, dass viele meinen, dieser Mittelzentrumsgedanke wäre ein Konstrukt der 70er/80er-Jahre, heute überholt – und dementsprechend versuchen sich die aufgezeigten Gemeinden in erster Linie jeweils alleine als Mini-Mittelzentren (Mittelzentren mit Teilfunktion) zu profilieren, z.B. Lorsch mit Kultur, Bensheim als Schulstadt, Heppenheim mit Verwaltung, und alle zusammen mit einer erheblichen Konkurrenz bei der Ausweisung von Gewerbe- und Wohnflächen.
Dieses kleingeistige Kirchturmverhalten führt allerdings einerseits zu einer räumlichen Entwicklung vor Ort, die zu einer Vernichtung des positiven Kapitals (das man auch als „weiche Standortfaktoren“ bezeichnen kann) an der Bergstraße führt, andererseits aber weitem – und gerade im überregionalen Kontext gesehen – viele Dinge doch nicht bewirkt, auf die wir langfristig angewiesen wären. Wir werden als Ergänzungs- und Durchgangsraum angesehen und nichts als eigenständiger (natürlich kleinerer) Partner zwischen den Großregionen. Und keine der o.a. Städte wird für sich allein jemals ein entsprechendes Gewicht erhalten !
Als ein Beispiel möchte ich die Verkehrsinfrastruktur in Form der Schienenverbin-dungen aufführen: Abgesehen davon, dass die Entscheidung über den Verlauf der neuen ICE-Trasse, obwohl sie zum größten Teil durch den Kreis verläuft, praktisch nur durch die Diskussionen der Anbindungen von Darmstadt und Mannheim bestimmt wird (da sind wir eine zu ignorierende Quantität), haben wir es noch nicht einmal geschafft, unterhalb der ICE-Qualität einen Bestandsschutz für schnelle Zugverbindungen auf IC-Niveau in Bensheim (und dann auch Weinheim) zu erreichen. Dabei wohnen im MZ Bergstraße genauso viele Menschen wie z.B. in Worms (mehr als 80.000 Einwohner). D.h. wir werden in absehbarer Zeit mit S-Bahnen (falls es die bis dahin gibt) bis Darmstadt oder gar Frankfurt auf der einen Seite oder Mannheim auf der anderen Seite tingeln müssen, bis wir eine einigermaßend schnelle Verbindung in die große, weite Welt bekommen.
Es fehlt eine gemeinsame Strategie der Städte an der mittleren Bergstraße zur Lösung gemeinsamer Probleme, weil es bisher nicht nur an einer organisatorischen Plattform fehlt, sondern leider auch an dem Bewusstsein, dass die Probleme gemeinsam sind. Und wenn das Problembewusstsein vorhanden ist, wird es häufig nicht gewagt auszu-sprechen.
Deshalb sollte man schon einmal zur strategischen Ausrichtung Fragen stellen:
• Können wir als Städte jeweils alleine uns in Verkehrsfragen durchsetzen ?
• Können wir als Städte jeweils alleine uns einen verbindenden ÖPNV leisten, der alle Gemeinden z.B. im 30 Minuten-Turnus verbindet ?
• Können wir die Wasserversorgung noch alleine sicher stellen ?
• Können wir die Feuerwehren auf die Dauer noch gemeindeweise organisieren ?
• Sollen wir uns kommunale Infrastruktur (Bauhöfe z.B.) jeweils einzeln leisten ?
• Wie sollen wir große energie- und umweltpolitische Projekte für uns gewinnen in Konkurrenz zu anderen Interessenten, insbesondere wenn damit große Fördermittel des Bundes oder aus Brüssel verbunden sind (z.B. Standortnach-folge nach Abbau KKW Biblis) ?
• Wie stoppen wir das kleinkarierte Wettrennen der Kommunen untereinander beim gleichzeitigen Aufbau einer Interessenvertretung nach außen und mit welchem Profil treten wir dann nach außen an ?
(Die Aufzählung erhebt überhaupt keinen Anspruch auf Vollzähligkeit)
So, dies mal zur Einstimmung mit der Intention, von der Parteiseite her die Diskussion zu koordinieren.
gez. Edgar Reiners
Heppenheim, den 15.08.2007
P.S.: Ich weiß, dass ähnliche Diskussionen schon vor Jahren gelaufen sind, aber das darf uns nicht hindern, immer wieder von vorne zu beginnen. Vielleicht gibt es doch einen Fortschritt bei der Menschheit…