Streetworker soll kommen

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Jugendarbeit: Heidelberger Experten schlagen Einstellung eines zusätzlichen Sozialarbeiters vor – Magistrat einverstanden

HEPPENHEIM. Neues zum Thema Jugendarbeit in Heppenheim: Professor Martin Albert und seine Mitarbeiter Maren Bude und Lukas Nock von der SRH Hochschule Heidelberg unterrichteten am Montag den Magistrat und Vertreter von Stadtverordnetenversammlung und Schulen im Rahmen einer Informationsveranstaltung im Kurfürstensaal über die Ergebnisse ihrer Untersuchung.

Bürgermeister Gerhard Herbert (SPD) erinnerte bei dieser Gelegenheit daran, dass sowohl von Experten aus Schulen und Jugendarbeit als auch von Jugendlichen selbst verschiedentlich eine Ausweitung der Jugendhilfe auch in den Bereich sogenannter aufsuchender Sozialarbeit gewünscht worden sei. Die Stadtverordnetenversammlung hatte deshalb beschlossen, zunächst durch eine wissenschaftliche Untersuchung den Bedarf prüfen zu lassen, bevor man über konkrete Maßnahmen beschließt.

Die gewünschte solide Entscheidungsgrundlage, heißt es in einer Pressemitteilung der Verwaltung, haben Professor Albert und seine Mitarbeiter nun geliefert. Um sich von der Situation der Jugendlichen in Heppenheim ein Bild zu machen, haben sie mehr als ein Dutzend Experteninterviews durchgeführt und per Fragebogen 264 Schüler und Schülerinnen der 8. bis 10. Klassen Heppenheimer Schulen befragt. Aber nicht nur auf die Wahrnehmungen Anderer stützen sie ihre Expertise: Auch Beobachtungen „vor Ort“ haben sie vorgenommen, etwa am Bahnhof, einem der Treffpunkte von Jugendlichen.

Den existierenden Jugendpflege-Einrichtungen – „B 3“ und „Oase“ – bescheinigen die Heidelberger Experten, gute Arbeit zu leisten. Zu verbessern sei da nur die Öffentlichkeitsarbeit, um bei den Jugendlichen noch besser bekannt zu werden. Das sei allerdings eine Aufgabe für Marketing-Profis und nicht vom Team der Jugendpflege „nebenbei“ zu leisten, meinten die Wissenschaftler.

Aber auch noch so gute Jugendhäuser können gesellschaftliche Probleme nicht verschwinden lassen. Dass Heppenheim für Jugendliche kein gefährliches Pflaster ist, wird auch von den Erfahrungen der Polizei bestätigt. Trotzdem sind 58 Prozent der befragten Jugendlichen der Auffassung gewesen, dass ein Problem mit gewaltbereiten Jugendlichen besteht. Auf einer Skala von 1 (gar nicht wichtig) bis 5 (äußerst wichtig) bewerteten sie dieses Problem im Durchschnitt mit 3,8; ein Faktum, das nicht zu ignorieren ist. Was, so die Frage, die sich den Wissenschaftlern stellte, ist also zu tun?

Die Experten aus Heidelberg sehen hier einen Bedarf an „aufsuchender Jugendhilfe/Gemeinwesenarbeit“, was bedeutet: an einem in Vollzeit tätigen Sozialarbeiter, der die Jugendlichen dort aufsucht, wo sie sich treffen und sich damit um diejenigen kümmert, die von sich aus nicht in ein Jugendzentrum gehen.

Zu seinen Aufgaben würde es nicht nur gehören, soziale Gruppenarbeit für gefährdete Jugendcliquen zu organisieren, sondern auch ein Auge darauf zu haben, wo eine Einzelfallhilfe erforderlich ist. Auch wenn dies eine Arbeit ist, die zum Teil auf der Straße stattfindet, hören die Experten die Bezeichnung „Streetworker“ nicht gern; sie wecke falsche Assoziationen.

Dass sich solche präventive Arbeit auch unter ökonomischen Aspekten lohnt, war für die Experten keine Frage. Zu verhindern, dass das sprichwörtliche Kind in den Brunnen fällt, sei immer billiger als es aus dem Brunnen zu retten. Wie das Anforderungsprofil des Stelleninhabers auszusehen hätte, formulieren die Experten sehr präzise, wenn auch fachsprachlich und „politisch korrekt“.

Dass bei der Besetzung der einzurichtenden Sozialarbeiter-Stelle „der Genderperspektive zu folgen ist“ heißt auf Deutsch: für den Posten, bei dem es ganz wesentlich um Arbeit mit männlichen Jugendlichen gehen soll, braucht es einen Mann.

Die Mitglieder des Magistrats zeigten sich von der Analyse und den daraus abgeleiteten Vorschlägen der Wissenschaftler überzeugt. In ihrer Sitzung am Mittwoch (12.) beschlossen sie, dass die Empfehlungen umgesetzt werden sollen. Im Rahmen der laufenden Haushaltsberatungen wird das Thema die städtischen Gremien weiter beschäftigen.

Aus dem Starkenburger Echo vom 15.11.2008